Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in unseren vorherigen Blogeinträgen, durch unseren Newsletter und unsere Homepage konntet ihr einen Überblick über unser Projektvorhaben und die Projektstrategien in dem Projekt „betreutes Wohnen für Straßenkinder“ gewinnen. Auch allgemeine Information über die Zielgruppe haben wir dargestellt. Jedoch ist uns und euch wahrscheinlich auch bewusst, dass es nicht möglich ist Personen durch allgemeine Informationen zu umschreiben. Jedes Kind und natürlich auch die Kinder von der Straße, hat seine eigene Geschichte. Um euch einen kleinen Einblick in die Hintergründe und Geschichten der Kinder zu geben haben wir im Folgenden 3 Kinder vorgestellt.
Wenn ihr den Verlauf des letzten Music Camps mitverfolgt habt, werdet ihr Sonu bereits kennen. Jedoch ist auch für ihn die Zeit während unserer Abwesendheit nicht stehen geblieben und somit ist vor allem der letzte Teil von Sonus Geschichte für alle interessant, die sich vielleicht das ein oder andere Mal gefragt haben, was aus ihn geworden ist.
Sonu- 15 Jahre alt
Sonu ist 15 Jahre alt und lebte fünf Jahre lang auf der Straße. Sein Vater verstarb, als er acht Jahre alt war.
Seine Mutter heiratete daraufhin einen neuen Mann.
In Nepal ist es üblich, dass Kinder von einem anderen Mann nicht mit in die Ehe genommen werden können. So kam es dazu, dass Sonu nicht mehr die Möglichkeit hatte, zu Hause zu wohnen. Vorerst kam er aus diesem Grund bei seiner Schwester unter. Diese hatte jedoch ebenfalls bereits ihre eigene Familie, zu welcher Sonu nur sehr schwer Zugang finden konnte.
Dies war vor allem auf die patriachalichen Verhältnisse, die von dem gewalttätigen Mann der Schwester bestimmt wurde, zurückzuführen. Vor fünf Jahren verließ Sonu das Zuhause seiner Schwester.
Von da an lebte er auf der Straße und konsumierte jeden Tag Klebstoff.
Vor einem Jahr lernten wir(Stephanie Theis, Leonie York, Vorstand des Vereins OLOW)Sonu kennen und begannen Zeit mit ihm und weiteren Kindern zu verbringen. Des weiteren nahm er ebenfalls an dem Music Camp 2010 teil, dadurch konnte der Kontakt zu ihm noch weiter intensiviert werden.
Im Music Camp zeigte er außergewöhnliche Entwicklungen. Am ersten Tag war er eher zurückhaltend. Er beobachtete viel, nahm vereinzelt und kurz an einigen Aktivitäten teil und war eher verschlossen. Hin- und wieder nahm er die Gitarre in die Hand oder malte Striche auf ein Blatt. Nach vielen Gesprächen und gemeinsamen sportlichen Aktivitäten veränderte sich sein Verhalten langsam. Er wurde aktiver und verbrachte viele Stunden mit der Gitarre oder beim Malen mit Wasserfarben und anderen Materialien. Als die anderen Kinder das Camp verließen, wurde er erstmals wieder verschlossener und nachdenklicher. Er teilte uns jedoch sehr schnell mit, dass er das Music Camp bis zum Ende besuchen möchte. Das Team diskutierte in den nächsten Stunden über Möglichkeiten, Sonu auch nach dem Music Camp eine Chance zu geben, nicht wieder auf die Straße zu müssen. Wieder fanden Gespräche mit Sonu statt. Er schien entschlossen zu sein, sich verschiedenen Möglichkeiten anzuhören. Am letzten Tag stand dann die Entscheidung an. Sonu teilte uns mit, dass er nicht mehr auf die Straße zurückgehen wollte.
Vorerst kam er bei zwei unserer Teammitglieder unter. Die ersten beiden Tage verbrachte er gemeinsam mit uns. Weitere Gespräche wurden geführt. Unser Team setzte sich mit verschieden Organisationen in Verbindung, die sich um die Rehabilitation von Straßenkindern kümmern und schon seit Jahren in Kontakt mit diesen stehen.
Zusammen mit Sonu entschieden wir uns für eine erste Möglichkeit einer Unterbringung und einer Beschäftigung. Sofort am nächsten Tag machten wir uns mit Sonu auf den Weg zu einer zwölf Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen Hühnerfarm. Die Hühnerfarm befand sich im Aufbau und wurde von einem Dänen und einem Nepalesen betrieben. Sonu konnte gemeinsam mit den Menschen, die dort arbeiten, in einem Haus leben und auf der Farm mithelfen. Insgesamt gefiehl es Sonu an diesem Ort sehr gut und bei all unseren Besuchen machte er deutlich wie engagiert er bei der Arbeit ist und wie sehr er sich freut auf der Farm leben zu können. Ein großes Problem stellte jedoch die Dorfgemeinschaft dar. Diese war keineswegs darüber erfreut, dass nun einen Straßenkind in ihrem Dorfe lebte, da sie den Ruf des Dorfes gefährdet sahen und Sonu ein großes Misstrauen entgegen brachten.
So wand sich an einem Tag das komplette Dorf und auch der auf der Hühnerfarm lebende Nepalese gegen Sonu und wir sahen keine Möglichkeit ihn an diesem Ort zu lassen. Sonu entschied daraufhin zu seiner Schwester zurück zu gehen und sich eigenständig einen Job zu suchen. Die nächsten drei Wochen verbrachte Sonu bei seiner Schwester. Leider kam es nicht selten vor, dass nach einem Tag, den wir zusammen mit ihm verbracht hatten, dieser seine Schwester angerufen hat, um die Situation, die in dem Moment zu Hause herrscht abzuklären und im schlimmsten Fall nach einer anderen Schlafmöglichkeit zu suchen. Dies war immer der Fall, wenn seine Schwester ihn bat auf Grund einer gewaltsam eskalierenden Situation nicht nach Hause zu kommen. Neben Aktivitäten, die wir mit Sonu verbrachten suchten wir weiter nach einer Unterbringung für ihn. Am letzten Tag vor unser Abreise besuchten wir, auf eine Einladung von Sonu hin, sein zu Hause. Sonus Schwester lebt mit ihren 3 eigenen Kindern, ihrem Ehemann und Sonus jüngerem Bruder zusammen. Somit leben zusammen mit Sonu 6 Leute in einem circa 14 Quadratmeter großem Zimmer. Obwohl man Sonu ansah, dass es ihm nicht gut ging und er zwischen der Rolle die eigene Schwester beschützen zu wollen und der Suche nach der eigenen Idenität und seinem Platz in dieser Welt hin und hergerissen war, beteuerte er, dass wir uns keine Sorgen machen müssten. Schweren Herzens verließen wir Kathmandu und erfuhren zu unserer großen Freude ein wenig später, dass Sonu eine Arbeit gefunden habe und nun in einer KFZ-Werkstatt tätig sei. Ein halbes Jahr später kamen wir zurück nach Kathmandu und sahen Sonu ein mal auf der Straße. Die anderen Kinder um ihn herum versicherten uns jedoch nach dem wir die Tage darauf nach ihm fragten, dass er bei seiner Schwester leben würde. Dem KFZ-Job geht er jedoch nicht mehr nach, höchstwahrscheinlich hat er aber eine andere Tätigkeit gefunden. Wir sind uns mittlerweile sehr sicher, dass Sonu seinen Weg gehen wird.
Sonu hat von Anfang an eine enorme Motivation gezeigt sein leben zu ändern und nun einen Weg ganz unabhängig unserer Hilfe gefunden. Irgendetwas in dem Music Camp hat ihm die Stärke gegeben dem Leben auf der Straße den Rücken zuzukehren.
Wir wissen jedoch, dass nicht alle Kinder ähnliche Ressourcen und so mobilisierbare Kräfte besitzen. Aus diesem Grund ist es vor allem wichtig den anderen Kindern mehr Zeit in einer sicheren Umgebung, welche durch Vertrauen und Liebe geprägt ist, zu geben.
Manat ist 9 Jahre alt und lebt seit zwei Jahren auf der Straße.
Der Grund warum er nicht zu Hause lebt ist, dass seine Mutter früh verstarb und der Vater keine andere Möglichkeit hat als den ganzen Tag arbeiten zu gehen, um die Familie zu versorgen. Die Vernachlässigung führte dazu, dass Manat sich zu Kindern von der Straße gesellte und langsam in die Klebstoffabhängigkeit rutschte. Auch Manat hat an dem Music Camp teilgenommen und alle Mitarbeiter waren sehr erfreut darüber Manat endlich mal als das zu sehen was er ist, ein kleiner Junge, der gerne malt, einem Ball hinterherjagt und den ganzen Tag grinst. Nach dem Music Camp ist Manat erst, auf Grund des Gruppendrucks, auf die Straße zurückgekehrt. Ein paar Tage später wandte er sich jedoch an uns und wir nahmen ihn einen Tag bei uns auf und gingen dann zusammen mit ihm zu einem Drop-In Center. Dort blieb er jedoch nur drei Tage. Wir sind uns sehr sicher, dass dort nicht das richtige Umfeld für einen kleinen Jungen wir Manat besteht. Diese Einrichtung, die nach einem ähnlichem Prinzip wie die anderen Rehabilitationszentren für Straßenkinder in Kathmandu gestaltet ist, bietet den Kindern lediglich einen Schlafplatz, etwas zu Essen und die Aussicht nach drei Monaten “Fieldworker” für die Organisation zu werden und andere Kinder davon zu überzeugen, die Straße zu verlassen. Dieses Angebot befriedigt nicht annähert die Bedürfnisse von Kindern wie Manat und dabei möchte er einfach nur wie ein normales Kind in einem liebevollem Umfeld aufwachsen. Als wir ihn fragten was er später werden möchte, kam sehr passend für seine Situation die Antwort, dass er einfach nur seinem Vater, der Busfahrer ist, helfen möchte. Da er weiß das er auf Grund seines Lebens als Straßenkind nicht wieder nach Hause zurückkehren kann, sagte er dies mit einem müden Lächeln.
Prakash ist erst 15 Jahre alt und hat bereits fast die Hälfte seines Lebens auf der Straße verbracht. Auch er hat die schlechten Bedingungen zu Hause nicht ausgehalten und ist auf die Straße geflüchtet, in der Hoffnung in den anderen Kindern auf der Straße eine bessere Familie zu finden. Der Teufelskreis der Abhängigkeit hat auch ihn vor langer Zeit schon in den Bann gezogen. Dabei ist sein größter kindlicher Wunsch, wenn er groß ist Pilot zu werden.